Als Philipp H.* sich am 3. Juli 2024 am Computer bei seinem Onlinebanking der C24 Bank anmelden will und aufgefordert wird, seine Kreditkarten- und Handynummer einzugeben, denkt er sich nichts dabei. Den vierstelligen SMS-Code, den er daraufhin zum Bestätigen erhält, gibt er ohne Bedenken ein.
Als nichts passiert und H. versucht, sich stattdessen über die C24-App am Handy einzuloggen, staunt er jedoch nicht schlecht: Innerhalb von zehn Minuten wurden 54.000 Euro von seinem Girokonto abgebucht. 10.000 Euro wird er später durch einen Rückruf wiedererlangen – der Rest fehlt bis heute.
Zeitgleich erhält H. eine E-Mail von der C24: „Sollten Sie diese Aktion nicht selbst ausgeführt haben, könnten gegebenenfalls Dritte Zugriff auf Ihr Konto erlangt haben.“ In diesem Fall könne er sein Konto über einen Link sperren. Doch da ist sein Geld längst weg.
H. erstattet Anzeige, sucht sich anwaltliche Unterstützung und fordert die C24 auf, ihm die restlichen 44.000 Euro zurückzuzahlen. Die weigert sich: Sie komme „ihren Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung von Sicherheitsstandards – insbesondere der starken Kundenauthentifizierung – vollumfänglich nach.“
Wie H. geht es zahlreichen Kunden der Direktbank, die eine Beteiligung des Vergleichsportals Check24 ist. Seit dem Geschäftsstart 2020 ist die Bank stark gewachsen, offfenbar aber auch die Beschwerden über sie. Viele Verbraucher haben sich wie H bei der Finanzaufsicht Bafin beschwert, die dem Thema nun nachgeht. „Der Bafin liegen Verbraucherbeschwerden zur C24 Bank vor“, erklärte die Behörde. „Die Probleme sind der Bafin bekannt, und die Bafin geht diesen nach.“
Die Polizei bestätigte dem Handelsblatt im Juni 2025 ebenfalls eine „Häufung von Betrugs- und Geldwäschefällen in Verbindung mit Girokonten von schnell wachsenden Onlinebanken, wie z.B. der C24 Bank“. Die C24 bessere sich jedoch und arbeite gut mit der Polizei zusammen. In den vorliegenden Fällen sei sie zudem nicht Beschuldigte.
Auch im Bundesanzeiger finden sich mehrere Mitteilungen von Staatsanwaltschaften über die Sicherstellung von Vermögenswerten auf C24-Konten, mit denen Betrug oder Geldwäsche betrieben worden sein soll.
Robert Genz, Geschäftsführer bei der C24, erklärt auf eine Anfrage des Handelsblatts: „Wie alle Banken steht auch die C24 Bank vor Herausforderungen im Bereich der Geldwäscheprävention.“ Man habe den Umstand selbst erkannt und die Bafin proaktiv darüber informiert.
Bafin soll erneut Sonderprüfung bei der C24 durchgeführt haben
Auf der eigenen Website bewirbt die C24 ihr Produkt als „bestes Girokonto Deutschlands“. Mit diesem verfolgt die 2020 gegründete Neobank nach Ansicht von Insidern vor allem das Ziel, möglichst schnell zu wachsen. Kommt die Entwicklung von Kontrollsystemen und angemessenen Prozessen dabei zu kurz?
Bereits im Dezember 2022 rügte die Bafin die C24 wegen einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und erhöhte die Eigenmittelanforderungen an die Bank. Bei einer turnusmäßigen Sonderprüfung hatte die Finanzaufsicht internen Dokumenten zufolge zahlreiche schwere Fälle von Geldwäsche und sonstigen strafbaren Handlungen entdeckt.
Im April 2024 entzog die Bafin der C24 außerdem den Status eines kleinen und nicht komplexen Instituts. „Zum Schutz des Finanzmarkts und seiner Teilnehmer“, wie aus einem Schreiben der Bafin an die Bank hervorgeht, das dem Handelsblatt vorliegt. Seitdem hat die Bank mehr Meldepflichten.
Zwischen Oktober 2024 und April 2025 soll die Bafin laut Branchenkennern erneut eine Sonderprüfung bei der C24 durchgeführt haben. „Es finden bei allen Banken in unregelmäßigen Abständen Prüfungen außerhalb der Jahresabschlussprüfung zu diversen Themenschwerpunkten statt“, antwortet Lasse Schmid, ebenfalls C24-Geschäftsführer, auf Anfrage. Im angesprochenen Zeitraum seien aber aus diesen Prüfungen keine weiteren Auflagen entstanden.
Die Bafin könnte laut dem Branchendienst Finanz-Szene wegen Geldwäscheproblemen allerdings einen Sonderbeauftragten zu C24 schicken. Schmid erklärte dazu, „eine finale Entscheidung seitens der Bafin“ sei der Bank bisher nicht mitgeteilt worden.
Einfache Registrierung zieht Kriminelle an
Die C24 hat derzeit laut eigenen Angaben rund 850.000 Kunden – Tendenz steigend. „Das Produkt der C24 finde ich supergut, aber sehr betrugsanfällig“, kritisiert ein Insider.
Intern soll die C24 deshalb einer weiteren Quelle zufolge den Spitznamen „Bank der Betrüger“ besessen haben – weil sie weder wisse noch Interesse daran habe, wer ihre Kunden seien. Genz sagt dazu, der Begriff sei der Bank nicht bekannt. Der größtmögliche Betrugsschutz der Kunden sei eine der obersten Maximen der Bank.
Wer ein Konto eröffnen möchte, muss allerdings lediglich seine Handynummer und E-Mail-Adresse angeben, die C24-App herunterladen und seine Identität bestätigen. Das geht zum Beispiel per Video-Ident-Verfahren, bei dem man einem Mitarbeitenden in einem kurzen Onlinemeeting Fragen beantworten und seinen Ausweis oder Reisepass präsentieren muss. Viele Betrüger hätten Insidern zufolge jedoch gefälschte oder gestohlene Ausweisdokumente genutzt.
» Lesen Sie auch: Sparkassen sprechen eine deutliche Warnung aus: Abrechnungschaos bei Paypal öffnet Betrügern die Tür
Ihre Adresse können C24-Nutzer nachträglich ohne erneute, gesonderte Überprüfung ändern: Mit einer gültigen Postleitzahl lassen sich fiktive Anschriften wie „Handelsblatt Straße 3“ eintragen. Betrüger hätten hier laut einer mit dem Thema vertrauten Person häufig anonyme Briefkästen in Industriegebieten genutzt. Da für das Einrichten des Onlinebankings keine Dokumente per Post verschickt worden seien, hätte nicht kontrolliert werden können, ob die Adresse existiert.
C24-Geschäftsführer wehrt sich gegen Vorwürfe
„Bei der C24 Bank sind sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen implementiert, um unsere Kunden bestmöglich vor Betrug zu schützen“, erklärt Genz. Der gesamte Onboarding-Prozess sei überdies ein Schwerpunktthema in der Abschlussprüfung der Wirtschaftsprüfer im ersten Quartal 2025 gewesen. Dabei seien keine wesentlichen Mängel festgestellt worden.
Für das Onlinebanking ist nur das Scannen eines QR-Codes mit der App notwendig. Diese generiert anschließend einen Zugangscode, den man im Browser eingeben muss. Weitere Sicherheitsmaßnahmen für die Autorisierung von Aufträgen, wie etwa ein Tan-Verfahren, gibt es abgesehen vom App-Login per Pin, Face- oder Touch-ID nicht.
„Ich habe erhebliche Zweifel daran, dass das den gesetzlichen Ansprüchen entspricht“, sagt Marco Buttler von der Kanzlei KWAG. Die Zwei-Faktor-Authentifizierung sei rechtlich ziemlich explizit geregelt. Genz hingegen sagt, die Bank halte die gesetzlichen Anforderungen an die Zwei-Faktor-Authentifizierung vollumfänglich ein.
Anwälte stellen Häufung von C24-Fällen fest
Buttler vertritt mehrere Dutzend Mandanten, die bei der C24 Opfer von Phishing, Betrug oder Geldwäsche geworden sind. „Die Fälle haben sich in gewisser Art gehäuft“, stellt der Anwalt fest. Katinka Bremm von der Kanzlei Ilex bestätigt diese Wahrnehmung. Sie bearbeitet in Zusammenhang mit der C24 mehrere Fälle von Phishing-Anrufen.
Dabei geben sich die Täter als C24-Mitarbeitende aus und besitzen enormes Detailwissen aus der Kontovertragsbeziehung ihrer Opfer. Wie sie an ihre Informationen kommen, ist derzeit noch unklar. „Dazu äußert sich die C24 nicht, sodass ich nicht sagen kann, ob bei denen möglicherweise ein Datenleck herrscht oder die Täter das Banking technisch überwinden“, sagt Bremm.
Es sei vor allem im Sommer vergangenen Jahres laut Verbraucherzentrale wie bei allen Banken vermehrt zu Phishing-Versuchen gekommen, bestätigt Genz. Es habe jedoch keine Indikation für ein Datenleck gegeben.
Bank soll mit Geldwäsche-Bekämpfung überfordert gewesen sein
In Finanzkreisen heißt es, die Bank habe in jüngerer Vergangenheit zudem chronische Probleme mit der Bekämpfung von Geldwäsche gehabt und sei wegen der hohen Fallzahl kaum noch hinterhergekommen. Mitarbeitende sollen laut einer mit dem Thema vertrauten Person zum Teil überlastet gewesen sein. Das legt auch eine E-Mail an die C24 von Dezember 2024 nahe, die dem Handelsblatt vorliegt.
Darin fordert ein Zollbeamter die Bank auf, zwei unbeantwortete Anfragen von Juni und November 2024 schnellstmöglich zu bearbeiten, und droht andernfalls mit einer Zeugenvernehmung des zuständigen C24-Mitarbeiters. Da es sich um Auskunftsersuche von Staatsanwaltschaften handele, „erschließt sich mir das Antwortverhalten Ihres Unternehmens nicht“, kritisiert er.
C24 musste bereits Millionenstrafe an die Bafin zahlen
Banken sind gesetzlich dazu verpflichtet, Verdachtsfälle von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierungen unverzüglich an Deutschlands Anti-Geldwäsche-Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) zu melden. Vor allem Geldwäscheverdachtsmeldungen soll die C24 laut Branchenkennern jedoch häufig nicht sofort, sondern zum Teil erst zwei Monate später abgegeben haben.
Einem Insider zufolge habe die FIU sogar ein persönliches Meeting mit C24 gefordert, weil die Bank zu den zehn häufigsten Absendern von Geldwäscheverdachtsmeldungen gehöre, obwohl sie vergleichsweise klein sei. Die FIU schreibt dazu auf Anfrage, sie könne sich „grundsätzlich“ nicht öffentlich dazu äußern.
Personalprobleme sollen für Verschärfung der Situation gesorgt haben
Die gesamte Geldwäsche- und Compliance-Abteilung der Bank sei „oft ein bisschen von den Werkstudierenden über Wasser gehalten“ worden, berichtet ein Branchenkenner. Mitarbeitende seien nach Aussage einer weiteren Quelle dazu angehalten worden, auch an Wochenenden, Feiertagen und bis spätabends oder -nachts zu arbeiten – ohne Zuschläge oder Vergütung von Überstunden.
Genz bestätigt auf Anfrage das Einholen einer Extragenehmigung für temporäre zusätzliche Mehrarbeit. Diese sei jedoch mit entsprechenden Zuschlägen vergütet und im Fall von Sonn- und Feiertagen zusätzlich mit Freizeitausgleich kompensiert worden.
Wegen zu wenig geeigneter Bewerber sei Finanzkreisen zufolge außerdem stark auf Mitarbeitende des ehemaligen Mutterkonzerns Check24 sowie auf externe Beratungen zurückgegriffen worden, die erst hätten eingearbeitet werden müssen.
Genz sagt dazu auf Anfrage, nach Feststellung der Rückstände seien sämtliche verfügbaren Ressourcen mobilisiert sowie eigens für diese Themen geschulte, externe Arbeitskräfte beauftragt worden, um eine zügige und sachgerechte Bearbeitung sicherzustellen. „Richtig ist, dass jene Mitarbeiter zunächst eingearbeitet werden mussten“, so Genz.
Ein Insider bemängelt auch eine fehlende Risikokultur in der C24. Das zeigen zwei E-Mails an die Bafin von März und April 2025, die dem Handelsblatt vorliegen. Darin schreibt er unter anderem, dass vonseiten des Vorstands Sätze wie „Regulatorik? Fuck off!“ gefallen sein sollen.
Genz widerspricht dieser Darstellung und hält die angebliche Aussage des Vorstands für frei erfunden. Vielmehr würden solche Unterstellungen den Anschein erwecken, dass jemand offensichtlich versuche, dem Ruf der Bank mutwillig zu schaden.
Führungsspitze soll über Missstände Bescheid gewusst haben
Geschäftsführer Genz und Generalbevollmächtigter Lukas Väth sollen über die Missstände in der C24 informiert gewesen sein. Das legen zwei E-Mails von September 2024 und März 2025 nahe, die an beide adressiert sind und dem Handelsblatt vorliegen.
Nach Einschätzung von Insidern sollen Genz und Väth die Situation für mehr Wachstum in Kauf genommen haben. Genz sagt dazu, die Geschäftsführung komme ihrer Verpflichtung, bei Missständen unmittelbar tätig zu werden, grundsätzlich vollumfänglich nach.
Zugutehalten muss man der C24 aus Sicht von Buttler, dass sie bei Geldwäscheverdachtsfällen nun häufiger Konten einfriert. Das erhöhe die Chancen der Opfer enorm, ihr Geld zurückzuerhalten. Seit Mai 2025 hat die Bank zudem mehrere Sicherheitshinweise in ihrer App hinterlegt. Für viele Kunden kommen die Hinweise jedoch zu spät.
Für einige, wie H., ist die Sache trotzdem glimpflich ausgegangen: Er verklagte die C24 – und erhielt recht. Banken seien „im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten“, begründete der Richter sein Urteil. Die C24 könne nicht nachweisen, dass H. den vierstelligen SMS-Code mit dem Wissen eingegeben habe, damit Geld zu überweisen.
*Name von der Redaktion geändert
Mehr: N26-Chef Tayenthal erwägt Wechsel in den Aufsichtsrat