Das Institut für Demoskopie Allensbach befragt jedes Jahr rund 1000 Bürger zu ihrem Bezahl- und Einkaufsverhalten. Insgesamt gaben im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der Befragten (58 Prozent) an, Geschäfte ohne Kartenakzeptanz seien nicht in Ordnung.
In Ländern wie Schweden oder Indien ist man längst soweit – jetzt will auch die Bundesregierung das bargeldlose Zahlen deutschlandweit möglich machen. In ihrem Koalitionsvertrag hat sie beschlossen, dass die Option der Kartenzahlung Pflicht werden soll. „Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden sollen“, so steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD.
Wie gut funktioniert eine Bonner Bäckerei ohne Bargeld?
Erfahrungen nach einem Jahr Wie gut funktioniert eine Bonner Bäckerei ohne Bargeld?
Stadt wehrt sich gegen Kritik an bargeldlosen Parkautomaten
Auch wegen Datenschutz Stadt wehrt sich gegen Kritik an bargeldlosen Parkautomaten
Wie der Einzelhandelsverband zum Vorhaben der Koalition steht
Das Vorhaben der Koalition hält Alexander Jentsch, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen für einen falschen Weg. „Statt über neue Pflichten zu diskutieren, sollten wir herausfinden, warum es in wenigen Einzelfällen noch keine digitalen Angebote gibt. Hier müssen tragfähige Lösungen entwickelt werden“, so der Vorsitzende. Im Bonner Einzelhandel könnten Verbraucherinnen und Verbraucher bereits heute „schon fast überall frei entscheiden, wie sie bezahlen möchten“, sagt Jentsch.
An anderen Ständen auf dem Bonner Wochenmarkt ist Barzahlung noch immer die einzige Zahlungsmöglichkeit. Foto: Alessandra Fahl
Bei einem Streifzug durch die Innenstadt fällt tatsächlich auf: Nur ab und an tauchen noch Schilder mit der Aufschrift „Keine Kartenzahlung“ auf. Beispielsweise beim Imbiss „Uni-Grill“ am Neutor oder vereinzelt auf dem Bonner Wochenmarkt. Doch selbst hier bieten mittlerweile viele Stände Kartenzahlung an. Einer von ihnen ist Sven Sen, der mit seinem Obst- und Gemüsehandel seit 1997 bei Wind und Wetter auf dem Marktplatz steht. „Nur Bares ist Wahres“, sagt Sen. „Aber ich hab’ mittlerweile auch Kartenzahlung.“ Erst seit Kurzem bietet er das Bezahlen mit Plastikkarte an. „Anfang diesen Jahres haben die Kunden ständig nach Kartenzahlung gefragt, dann habe ich mir im April so ein Gerät zugelegt“, berichtet der Händler.
„Gruppen werden abgehängt und ausgeschlossen“
Parken ohne Bargeld in Bonn „Gruppen werden abgehängt und ausgeschlossen“
Bornheim führt umstrittene Bezahlkarte für Geflüchtete ein
Knappe Ratsentscheidung Bornheim führt umstrittene Bezahlkarte für Geflüchtete ein
Auf dem Markt bringen viele bewusst Bargeld mit
Doch am Ende des Tages zeigt sein EC-Kartengerät keine großen Summen an. „Heute waren es 42 Euro, die mit Karte bezahlt wurden. Das ist noch nicht einmal fünf Prozent meines Tagesumsatzes“, sagt Sen. Seine Kunden zahlten kaum mit Karte und hätten Bargeld dabei. „Wenn Sie zu einem Bauer fahren, nimmt der auch keine Karte. Das weiß man“, sagt Sen.
Neben dem Stand von Sven Sen verkauft Mustafa Koc Trockenfrüchte und Nüsse. Auch dort können Kunden mit Karte bezahlen – das sei schon seit fünf Jahren möglich, berichtet Koc. „Es ist einfacher, für mich und für die Kunden. Ich verkaufe auch mehr. Oft sagen die Kunden, wenn sie kein Bargeld haben, das sie später wiederkommen. Aber sie kommen meistens nicht mehr.“
Wie viele Gastronomen in Bonn noch „Cash Only“ anbieten, sei nicht erhoben worden, sagt Christoph Becker, Geschäftsführer des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Nordrhein (Dehoga). „Der bargeldlose Zahlungsverkehr hat aber gerade zu Corona massiv zugenommen.“ Es seien daher nur noch vornehmlich kleinere, inhabergeführte Betriebe, die ausschließlich Bargeld nähmen – das betreffe nur noch einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz an Unternehmen. Hier aufzurüsten, hält Becker für wichtig: Die Betriebsinhaber könnten perspektivisch Umsatz verlieren, wenn sie nicht auch bargeldloses Zahlen anbieten.
Foto: GA Grafik
Karte erst ab zehn Euro
Die Pflicht einer bargeldlosen Option soll laut SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi auch im Kampf gegen Steuerbetrug helfen. Das hält Becker jedoch nicht für nötig. Er betont, dass die heutigen Kassensysteme mit zahlreichen Auflagen verbunden wären, sodass Steuerbetrug bei Geschäften mit Kasse nahezu ausgeschlossen sei. „Das Finanzamt kann in der Kasse jeden Buchungsvorgang erkennen. Daher macht es für die Kasse keinen Unterschied, ob bar oder mit Karte bezahlt wird“, so Becker.
In manchen Fällen bieten Händler eine Kartenzahlung nur ab einem bestimmten Mindestbetrag an. Bei vielen Kiosken etwa ist die Karte oft erst ab fünf oder zehn Euro erlaubt. Verbraucherfreundlich seien Mindestbeträge nicht, sagt Jentsch. Grund dafür könnte die wirtschaftliche Notwendigkeit sein, denn Gebühren pro Transaktion, Buchungskosten, Fixkosten für Geräte und die Abwicklung kleiner Beträge würden dem Händler unverhältnismäßige Kosten bereiten.
Wer nur Bargeld dabei hat, darf nicht unfreiwillig zum Schwarzfahrer werden
Kommentar zum bargeldlosen Zahlen in Bonner Bussen Wer nur Bargeld dabei hat, darf nicht unfreiwillig zum Schwarzfahrer werden
Mit 28.000 Euro im Rolls Royce zum Kaiserplatz
Polizeikontrollen in Bonn Mit 28.000 Euro im Rolls Royce zum Kaiserplatz
Digitale Bezahlfunktionen „kosten natürlich Geld“, sagt auch Becker. Die Kartenterminals müssten angeschafft werden. Zudem nähmen die Kartenanbieter entsprechende Provisionen vom Unternehmer. Diese seien je nach Kartentyp unterschiedlich, betrügen im Schnitt jedoch rund 1,5 bis 1,8 Prozent vom jeweiligen Umsatz. „Das sind natürlich alles Kosten, von denen der Kunde nichts mitbekommt, der Unternehmer aber kalkulieren muss.“
Kartenzahlung muss nicht viel kosten
In der Praxis sieht es oft anders aus (siehe Kasten). Das zeigt die Erfahrung von Händler Sen vom Bonner Wochenmarkt. Er hat sein Kartenterminal vom Anbieter Sum Up: „Das ist billiger als von der Sparkasse“, sagt Sen. Hier fällt pro Transaktion eine Gebühr von 1,39 Prozent an. Ob durch das Anbieten von Kartenzahlung für Sen hohe Kosten entstehen? „Nein, es ist nicht teuer. Bei zwölf Euro zahle ich etwa 13 Cent Gebühr“, berichtet Sen. Von dem Vorhaben der Koalition habe Sven Sen noch nichts gehört. Doch er bleibt entspannt. Das Kartenlesegerät besitzt er ja schon.
INFO Verschiedene Anbieter für Kartenterminals
Neben „Sum Up“ gibt es noch andere private Anbieter wie „Bezahlexperten“, „My Pos“ oder „Zettle“, die mit unterschiedlichen Preismodellen auf dem Markt sind. Dabei gibt es Angebote mit kostenlosen Kartenterminals, Gebühren pro Transaktion oder auch monatliche Ratenbeiträge. Die Gesamtkosten bei einem Café mit etwa 1500 Euro monatlichen Einnahmen liegen bei den verschiedenen Anbietern zwischen 14 und 30 Euro im Monat, berechnete das Handelsblatt kürzlich.