Wenn eine Katze sieben Leben hat, dann hat die Norisbank gefühlte siebenundzwanzig.
Ganz, ganz, ganz am Anfang, also 2006, hatte sich die Deutsche Bank von der Übernahme des damals noch in Nürnberg ansässigen Instituts ja ganz, ganz viel versprochen (grob gesagt, sollte die Norisbank für Josef Ackermann zur eierlegenden Wollmilch-Retail-Einlagen-Kredit-Filial-Online-Plattform-Massengeschäft-Zweitmarken-Bank werden). Nachdem sich im Laufe der Jahre allerdings so ziemlich jede dieser strategischen Hoffnungen zerschlagen hatte und der kleinen Norisbank überdies die große Postbank vor die Nase gesetzt worden war, machte man bis 2012 sämtliche, ursprünglich knapp 100 Filialen dicht und erklärte die Norisbank kurzerhand zur Direktbank.
Ein paar Jahre später sollte das mittlerweile in Bonn registrierte Institut zum (wir zitieren die Wirtschaftswoche) „Vorbild und Testlabor“ für den technologischen Umbau des Deutsche-Bank-Privatkundengeschäfts mutieren. Bevor die Norisbank nochmal später dem „Chief Digital Office / Digital Ventures“ -Bereich zugeschlagen wurde, wo man sie bald darauf mit dem aus der Deutschen Bank heraus gegründeten Loyalty-Fintech „Yunar“ verbinden wollte – bevor „Yunar“ dooferweise aufgeben musste.
Summa summarum also: ein ziemlich wilder Ritt. Dem konsequenterweise Verkaufsgerüchte folgten, zumal die Norisbank irgendwann bei 150% Cost-Income-Ratio ankam. Mit dem Verkauf allerdings war es wie mit allem anderen auch: Es wurde nicht daraus. Weshalb die Norisbank blieb, wo sie war, nämlich unter dem Dach der Deutschen Bank (genauer: der Postbank), wo sie dermaßen konsequent der Vergessenheit anheimfiel, dass man sich heute fragt, ob man die Tochter in Frankfurt überhaupt noch auf dem Zettel hat.
Unsere Vermutung ist: Nein! Denn warum sollte man an der Norisbank irgendwas ändern? Sie ist ja jetzt eine der performantesten deutschen Banken überhaupt.
Glauben Sie nicht, liebe Leserinnen und Leser? Dann schauen Sie mal bitte mit uns in den neulich veröffentlichten 2024er-Abschluss. Da nämlich steht, schwarz auf weiß: Die Cost-Income-Ratio beträgt jetzt nur noch 30%. Sie hat sich also binnen weniger Jahre gefünftelt!
Ein Wunder? Ja, ein Wunder!
Cost-Income-Ratio (in %) und Jahresgewinn (in Mio. Euro) Norisbank
Cost-
Income-Ratio
Jahresgewinn
050100150
150
−18
107
−3
107
1
70
16
30
71
30
71
2019
2020
2021
2022
2023
2024
Quelle: GeschäftsberichteDaten herunterladenErstellt mit Datawrapper
Wobei, naja, ist's wirklich ein Wunder?
Oder nicht einfach nur eine zwar verblüffende, aber doch auch logische Konsequenz?
Blicken wir nochmal ganz, ganz, ganz an den Anfang zurück: Jenseits aller strategischen Gedankenspiele war an der Übernahme im Jahr 2006 ja vor allem interessant, dass die Deutsche Bank der DZ Bank zwar damals die Norisbank abkaufte, nicht aber deren Kernprodukt, nämlich den "Easycredit", einen damals hochprofitablen State-of-the-art-Ratenkredit. Der "Easycredit" blieb ebenso wie die daran hängenden Forderungen bei der DZ Bank (die damit dann die Teambank aufbaute, die aktuell ihre ganz eigenen Probleme hat, aber das ist eine andere Geschichte).
Jedenfalls: Schaut man sich die jüngeren Bilanzen der Norisbank an, dann fällt auf, dass das Loch auf der Aktivseite nie wirklich geschlossen wurde und sogar wieder größer wird. Auf gerade einmal 348 Mio. Euro summierten sich per Ende 2024 die Forderungen (übrigens fast alles Ratenkredite), Tendenz sinkend.
Die Norisbank ist bilanziell betrachtet mehr oder weniger eine reine Einlagen-Sammel-Bank, was in den Jahren vor der Zinswende tödlich war (daher rührten die 150% Cost-Income-Ratio; eine Bank mit vergleichbarem Geschäftsmodell, nämlich die Rabodirect, gab damals ja sogar auf), seit der Zinswende allerdings etwas gelddruckmaschinenhaftes hat. Schließlich kann ein Konzern wie die Deutsche Bank mit diesen Einlagen ja richtig arbeiten. Und selbst wenn er es nicht könnte, ließe sich das Geld immer noch vorteilhaft bei der EZB anlegen.
In Zahlen (wobei wir das Provisionsgeschäft und das sonstige Ergebnis der Einfachheit halber komplett außen vor lassen):
Die Norisbank hatte zuletzt 523.000 Kunden
Der Aufwand für Personal, übrige Verwaltung und Abschreibungen summierte sich auf 46 Mio. Euro
Pro Kunde fielen also Kosten irgendwo knapp unter 90 Euro an
Demgegenüber stand 2024 ein Zinsüberschuss von 97 Mio. Euro (also 185 Euro pro Kunden) – während es fünf Jahre zuvor lediglich 42 Mio. Euro (damals =76 Euro pro Kunde) waren. Dank der Zinswende ist das Kerngeschäft der Norisbank jetzt also hochprofitabel. Während es vorher nicht einmal die Kosten deckte.
Nun kann man natürlich fragen: Hat die Norisbank für sich genommen überhaupt ein Kerngeschäft? Oder muss man sie als Teilmenge der Deutschen Bank begreifen? Quasi als Einlagensammelstelle für den Gesamtkonzern – eine Funktion, die es in der Niedrigzinsphase irgendwann gar nicht mehr gebraucht hätte (aber die Kosten waren halt weiter da), während die Funktion nun plötzlich wieder hochwillkommen ist (und einem die Kosten dafür jetzt wie ein Klacks vorkommen; die Norisbank hat ja nur 58 Mitarbeiter).
Also, ja: In gewisser Weise ist der plötzliche Erfolg der Norisbank nur eine Ableitung aus der Zinswende. Und dass dieser "Erfolg" überhaupt sichtbar wird, liegt auch nur daran, dass die Norisbank (anders als zum Beispiel die Postbank) als rechtliche selbständige Entität geführt wird mit vollen Berichtspflichten.
Zugleich ist es allerdings so, dass die Norisbank ein paar Dinge da draußen offenbar exzellent beherrscht. So schafft sie es trotz eines für Onlinebanken inzwischen brutal kompetitiven Wettbewerbsumfelds (frag nach bei Sparda- oder PSD-Banken ...), ihren Kundenbestand seit Jahren zu verteidigen – und den Einlagenbestand hat sie in den letzten fünf Jahren sogar um gut 40% auf zuletzt 4,8 Mrd. Euro ausgebaut. Und das bei einem offenbar auch marketingseitig einigermaßen überschaubaren Kostenaufwand. Die Klaviatur des Online-Marketings und der Vergleichsportale und was sonst noch so dazugehört scheint man also zu beherrschen (und hält so praktischerweise die Markennamen "Deutsche Bank" und "Postbank" raus, wenn man relativ konditionenaggressiv vorgeht).
Das ist durchaus eine Leistung. Was sich auch darin spiegelt, dass die Performance, anders als man meinen könnte, jetzt nicht gleich wieder nachlässt, nur weil die Zinsen das auch tun. Im Gegenteil: 2025 erwartet die Norisbank laut Prognosebericht eine "gegenüber 2024 leicht verbesserte Cost Income Ratio".